Die Müller-Dynastie
TUGER
und
ihre Mühlen in Heppenheim
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von Dr. Hermann Müller
Stand:
9. Januar 2025
Ergänzung erfolgt nach Bedarf
Die Müller-Familie TUGER (in alten Akten auch DUGER, DUCHER und
TUCHER geschrieben) wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert und Anfang
des
20. Jahrhunderts - bis 1912 - zur reichsten und bedeutendsten Müller-Familie in
Heppenheim. Durch ihren geradezu strategischen Ausbau der Macht und des
Wohlstandes hebt sie sich von den "normalen" Müller-Familien
(Müller-Sippen) ab und man kann sie – entsprechend der Begriffsbildung z.B. bei
den Saarländischen Familienforschern – als Müller-Dynastie bezeichnen.
Johannes Tuger (das älteste bekannte Mitglied der Tuger-Sippe und
damit der Stammvater dieser Sippe) war zuerst Müller auf einer Mühle in
Laudenbach. Am
1. November 1756 wurde er bei der Taufe des Sohnes Johannes als Müller Johannes
Duger im katholischen Kirchenbuch von Hemsbach genannt. Seine Herkunft ist
unbekannt. Möglicherweise heiratete er nach Laudenbach. Ausgerechnet zwischen
1750 und 1755 – in dieser Zeit könnte er geheiratet haben – fehlen die Heiraten
im Kirchenbuch von Hemsbach. Für Laudenbach gab es damals kein eigenes
katholisches Kirchenbuch.
Am 10.08.1757 wurde seine Mühle, deren genauer Standort nicht bekannt ist, bei einem extremen Unwetter zerstört. Dabei wurden auch seine zwei Kinder getötet.
Ende 1769 kam er nach Heppenheim, pachtete die später nach
der Familie benannte Tugersmühle am Stadtbach und wurde zum Stammvater der
Heppenheimer TUGER. Diese Familie (Sippe) besaß einst im Stadtgebiet der
Kreisstadt Heppenheim drei Mühlen:
1.) Die Tugersmühle
(später KLN) in der Siegfriedstraße am Stadtbach.
2.) Die Kirchmühle (zeitweise
auch Tuger'sche Mühle genannt) in Unter-Hambach gegenüber von der Kirche.
3.) Die Tugersmühle in
Unter-Hambach am östlichen Ortsausgang.
Nachfolgende Ausarbeitung informiert über die TUGER und ihre
Mühlen und wird nach Bedarf ergänzt.
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Tugersmühle in der Siegfriedstraße
(Heppenheimer Mühle Nr. 21 nach Heinz Reitz) - Siegfriedstraße 124
(vor der Talverengung, gegenüber der Einmündung des Schleifwegs in die
Siegfriedstraße).
Die Mühle wurde in früheren Jahrhunderten auch Schleifmühle
genannt. Schleifmühle ist als Verkürzung von ‚Mühle an der Schleif‘ zu
verstehen, jedoch nicht als ‚Mühle, in der Gerätschaften geschliffen werden‘.
Sie hieß später auch Tugersmühle nach dem Müller-Geschlecht Tuger das seit 1769
die Mühle pachtete und sie mindestens seit 1811 besaß.
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Die Mühle wurde vermutlich im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau und der Erweiterung der Stadt nach dem großen Brand von 1369 errichtet. Durch den Bau des äußersten Mauerzuges der Stadtmauer (4. Mauerzug nach H. Winter) und die Verlegung des Stadtbachs vor diesen Mauerzug änderten sich die Bedingungen für die Mühlen entlang des Stadtbachs. Hilfreich war, dass im 14. Jahrhundert die ersten oberschlächtig angetriebenen Wasserräder in Deutschland zum Einsatz kamen. Der Mühlgraben am Schloßberg wurde nach 1369 und vor 1480 erbaut und diente der Versorgung von drei Mühlen (Tugersmühle, Weihersmühle und Schäfersmühle), deren Wasserräder oberschlächtig mit Wasser, welches aus dem Stadtbach abgeleitet wurde, angetrieben wurden.
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Die gemeinsame Nutzung eines Mühlgrabens durch drei
hintereinander liegende Mühlen führte fast zwangsläufig zu Streitigkeiten und
Schwierigkeiten und war offenbar der Anlass für den Mühlenvertrag von
1561, in dem „ Hannsen Schierig der Jüngere“ (auch Schirig, Scherig)
verpflichtet wurde, dass er den Mühlgraben vom obersten Wehr (Abzweig vom
Stadtbach) bis zum Ablass unter seiner Mühle durch "Ausfegen, Räumen
und anderen Besserungen" unterhalten muss.
Hans Scherig ließ sich 1577 ein
prächtiges Wohnhaus bauen, heute Siegfriedstraße 104 (die so genannte
Schindersburg, Station 12 am "Heppenheimer Mühlenrundweg"). An dem
Haus weist in einer Inschrifttafel noch eine Inschrift mit einem Müllerzeichen
(1965 im Buch „900 Jahre Starkenburg“ auf Seite 224 als Stundenglas angesehen,
sehr wahrscheinlich aber ein stark vereinfachtes Mühleisen bzw. eine Haue) auf
den Erbauer hin (Willy Lizalek, Heppenheims ältester Mühlenvertrag (1561). In:
Die Starkenburg 62, 1985, Nr. 2). Es soll das Wohnhaus zu der Tugersmühle
gewesen sein, was aber bezüglich der Entfernung zwischen den Gebäuden
bezweifelt werden kann.
Weitere
Besitzer oder Erbpächter der Mühle waren:
- 1786 - 1823 Johann Tuger.
- 1823 - 1852 Friedrich Tuger.
- 1853 - 1890 Georg Tuger I.
- 1890 - 1912 Georg Tuger II.
Aus dem Heppenheimer Anzeigeblatt wissen wir, dass hier vor 1843 neben
der Mahlmühle auch eine Ölmühle arbeitete, die damals verkauft wurde.
1889/90 erfolgte die
radikale Modernisierung der Mühle. 1889 ließ Georg Tuger I. große Umbauarbeiten
vornehmen, u.a. bestellte er 3.210 kg eiserne Säulen und 15.500 kg Eisenträger.
Das Mühlengebäude wurde auf 5 1/2 Stock erhöht und ein Maschinenhaus angebaut.
Die alten Mahlgänge und das hölzerne Wasserrad mit einem eichenen Wellbaum
wurden verkauft und durch moderne Walzenstühle und ein neues Wasserrad mit
einer schmiedeeisernen Welle ersetzt. 1889 beantragte Georg Tuger I. auch eine
Dampfkesselanlage. Ob diese genehmigt wurde, ist nicht bekannt. Auf Grund
seiner Position als Stadtrat und des Baus eines Maschinenhauses ist eine
Genehmigung aber anzunehmen. Sein Sohn Georg Tuger II. erhielt 1904 die
Genehmigung für einen feststehenden Dampfkessel.
Insgesamt brachten Georg Tuger I. und sein Sohn die Mühle auf den neuesten Stand der Technik. Anläßlich einer Besichtigung durch die Wormser Müllerschule heißt es im Juli 1890:
„um das neuerrichtete, mit allen technischen Vortheilen der Neuzeit ausgestattete Mühlenetablissement des Herrn G. Tuger zu besichtigen. Die Mustereinrichtung der Mühle (Herr Tuger ist Inhaber eines technischen Büreaus für Mühlenbau) fand hohe Anerkennung.“
Zum 1. Oktober 1890 übergab
Georg Tuger I. sein "Müllerei- & Bäckerei-Anwesen" an seinen Sohn
Georg Tuger II.. Im Firmenregister des Amtsgerichts Lorsch erfolgte der
Eintrag, dass „Georg Tuger II. seit dem 1. Oktober 1890 zu Heppenheim eine
Kunstmüllerei und Bäckerei unter der Firma G. Tuger betreibt.“ Die Mühle war
eine Kunstmühle geworden und Georg Tuger II. nannte sich jetzt stolz
Kunstmühlenbesitzer.
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Bild 2: Belegschaft der Kunstmühle des Georg Tuger II. 1894
(Quelle: Pfarrarchiv Heppenheim)
Die Tugersmühle ist rechts im Bild dargestellt.
Um die Jahrhundertwende unterhielt der rührige Müller Georg Tuger
II. eine Mustermühle für verschiedene Müllereimaschinen der Firma Ganz &
Cie, Budapest-Ratibor-Leobersdorf. 1895 wurde das dreistöckige Wohnhaus (siehe
Bild 1) des Georg Tuger II. errichtet, zu dem ein fünfeinhalbstöckiger
Mühlenbau mit zahlreichen Nebengebäuden gehörte.
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Bild
3:
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Um 1900 verwandelte Georg Tuger II. mit
Einwilligung des Vaters die Mühle in eine „Nudel- und Maccaroni-Fabrik“, von
den Heppenheimern kurz „die Nudel“ genannt. Wahrscheinlich arbeitete das
Mühlwerk auch in der späteren Nudel- und Maccaroni-Fabrik Tuger, in der etwa 20
Mitarbeiter beschäftigt waren.
Kurz nach dem Tode von Georg Tuger II. „wehte vielleicht ein neuer
Wind“ in der G. m. b. H., denn am 22. Dezember 1912 erscheint erstmals eine
Werbung mit den Nudel-Produkten im Verordnungs- und Anzeigeblatt der Stadt und
des Kreises Heppenheim:
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Bild 4:
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Werbung wurde auch mit Reklamemarken und Postkarten betrieben. Nachfolgend ist ein Beispiel präsentiert. Eine ausführliche Zusammenstellung verschiedener Serien von Reklamemarken der Firma Tuger und einer Werbepostkarte finden Sie auf folgender Internetseite als Teil der Kunstsammlung von Herrn Jürgen Maurer:
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http://www.kunstsammlungmaurer.de/Heppenheimer-Kunst/Sammlungen-Marken-und-Bilder
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(Quelle: Kunstsammlung Jürgen Maurer)
Firmenbezeichnung 1910 in einem Lehr-Vertrag:X
„Erste
Deutsch-Italienische Eierteigwaren- & Maccaronifabrik, Kunstmühle,
Heppenheim a. d. Bergstr.
(Quelle:
Die Starkenburg, Nr. 4/1995).
Bild 6: Tugersmühle
In den wirtschaftlich schwierigen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg kam es nach und nach zum Niedergang der Fabrik. Zur Stilllegung der Mühle fehlen noch Informationen. Vielleicht begann diese in Teilen bereits im Jahr 1916, denn im April dieses Jahres wurde das Wasserrad verkauft.
Aus der dargestellten Anzeige zum Verkauf des Wasserrades erfahren wir, dass
dieses einen Durchmesser von 6 m und eine Breite von 1,20 m hatte. Dies
unterstreicht, dass die Tugersmühle - die auch eine Dampfmaschine hatte - eine
recht große Mühle war:
Bild
7: Verkauf des Wasserrades im April 1916 (Quelle: Archiv Dr. H. Müller)
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Am 24. Dezember 1916 kam es zu einem großen Brandunglück in der
Tugersmühle. Die Firma G. Tuger dankte in einer Anzeige für die „tatkräftige
Mithilfe seitens der Einwohnerschaft Heppenheims“, „der hochwohllöblichen
Behörde für ihre liebenswürdige Unterstützung“, „der hiesigen Feuerwehr, durch
deren rasches Eingreifen ein weiteres Ausbreiten des Brandes verhindert wurde“
und „der Bensheimer Feuerwehr für ihre Mithilfe“.
Bei dem Brand erlitt der Unteroffizier Wilhelm Weis, wegen
Krankheit zu dieser Zeit in Heppenheim, als freiwilliger, nicht zur Feuerwehr
gehörender Helfer bei den Rettungsarbeiten selbst tödliche Verletzungen durch
einen einstürzenden Giebel und starb am folgenden Tag.
Der Brand war sicher ein harter Schlag für die Teigwarenfabrik.
Möglicherweise führte dieses Ereignis zum vorzeitigen Ende der Müllerei in der
Tugersmühle.
Die „Firma Georg Tuger, G. m. b. H., Eierteigwaren- und
Maccaronifabrik“ meldete am 19. Februar 1923 die Liquidation. Bereits im April
1923 wurde sie im Handelsregister als „Georg Tuger, Aktiengesellschaft
Eierteigwaren- und Maccaronifabrik“ eingetragen. Das endgültige Aus kam
schon 1927, als die AG in Konkurs ging und aufgelöst wurde.
Ab Sommer 1933 dienten ihre Räume dem Arbeitsdienst (RAD) als Unterkunft und seit 1950 der Fabrikation von Ultraschallgeräten unter Dr. Wilhelm Lehfeldt. 1972 erfolgte die Umwandlung zur KLN-Ultraschall-GmbH. Heute gehört das Anwesen Frau Gila Thews, der Witwe von Heinz Thews, und wird nach erfolgtem Umbau der Fabrikhalle für Wohnzwecke genutzt. X
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Kirchmühle (Tuger'sche Mühle in Unter-Hambach)
(Heppenheimer
Mühle Nr. 6 nach Heinz Reitz) - Hambacher Tal 124.
1549
wird die Mühle erstmals genannt. Es ist zu vermuten, dass an diesem Standort
bereits 1436 eine Mühle bestand (Gutjahr GKB 1980, S. 275). In den Jahren 1641
und 1668 (im Jurisdiktionalbuch) wird die Mühle als ein Erblehen der Herren von
Rodenstein bezeichnet.
Noch
1630 ist Hans Jacob Beer (Bär) familienkundlich für die Mühle belegt. Er
heiratet 1641 die Witwe Margareta N.N.
Der
Sohn Johann Peter Beer (* Hambach 1647, † Hambach 1690) heiratete 1666 Agnes
Flath, die Tochter des Müllers Matthias Flath von der Mühle Schmitt (Reitz Nr.
5).
Johann
Jakob Beer (* Hambach 1685, † Hambach 1754) übernimmt vermutlich um 1710 die
Mühle. Beim Dorfrundgang 1726 heißt es: „Bey Jacob bährs mühl an der kirch
steht ein weißer Stein.“
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Weitere Müller
auf der Kirchmühle:
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1736 verpachtet Jacob Beer die Mühle auf drei Jahre an Matthes Pfister.
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1785 wird Kaspar Lies (* Hambach 1731, † Hambach 1799) als Müller dieser
Mühle genannt.
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1811 besaß der Müller Philipp Stumpf die Mühle, die 1817 von seiner Witwe
versteigert wurde. Zu dem Bestand gehörten 1 zweistöckige Mühle mit Mahl-und
Schälgang, 1 Scheuer, 1 Nebenbau sowie 1 Nebenbau mit Schweineställen und
Spreukammer.
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Der nachfolgende Müller, Adam Mitsch, hatte für diese Mühle im Jahre 1828 1
Malter, 1 Simmer, 1 Kumpf, 1 Mäßchen Korn jährliche Mühlpacht an das
Großherzogtum Hessen zu liefern (GKB Band 18, Seite 290, Renovation der
Mühlpacht).
-
Nach dem Brandkataster ist 1844 und 1853 Johann Tuger Müller in der Mühle.
Unklar ist, wann er auf die Mühle kam.
Das Mühlrad wurde bereits 1866 als baufällig beschrieben, woraus man schließen darf, dass die alte Mühle nicht mehr in Betrieb war. 1866 berichtet Bürgermeister Schweinsberger, „dass sich der hölzerne Mühlkandel dermaßen in so schadhaftem Zustand befindet, dass das Wasser fast täglich durch Verstopfung so geschwellt wird, dass es auf die Straße läuft“. 1870 wird entschieden, dass die Gemeinde die Kosten für die Reparatur des schadhaften Wehrs tragen muss.
1872
ließ Johann Tuger die Mühle versteigern, wie eine Anzeige am 15. Juni 1872 im
Verordnungs- und Anzeigeblatt Nr. 48 zeigt. In der Anzeige wird auch
darauf hingewiesen, dass für die Mühle als Freiherrliche Mühle keine
Wasserpacht zu zahlen ist und dass der oberschlächtige Wasserfall 21 Fuß
beträgt. Aus dem Verordnungs.- und Anzeigeblatt Nr. 73 vom 10. September 1875
erfahren wir, dass die Gemeinde Hambach die Mühle erworben hat und die
Mühleneinrichtung jetzt versteigern will.
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Bild 8: Versteigerung des
Mühleninventars 1875 (Quelle: Archiv Dr. H. Müller)
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Die
Gemeinde richtete in der 1875 gekauften Mühle 1876 einen Schulsaal mit
Lehrerwohnung ein. Von 1954 bis 1971 wurde das Haus als Hambacher
Bürgermeisteramt genutzt. Danach wurde hier die Verwaltungsstelle Hambach
untergebracht.
2015 erfolgte der Umbau zu einem schmucken Dorfgemeinschaftshaus.
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Bild 9: Ehemalige Kirchmühle 2013 (Quelle: Archiv Dr. H. Müller)
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Das
Mühlrad für die Mühle war an der Stelle, an der heute das Kriegerdenkmal für
den Krieg 1870/71 steht. Der etwa 200 m lange Mühlgraben zweigte unterhalb der
Erbisgasse "ann de Linne" (zwei Linden) ab und verlief in Höhe des
Ehrenmals und des Pfarrgartens.
Johann
Tuger I., * 1824, † 1883, Sohn von Philipp Tuger und dessen Ehefrau Theresia
Ambos, war Müller auf der Kirchmühle.
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Tugersmühle
in Unter-Hambach
(Heppenheimer Mühle
Nr. 15 nach Heinz Reitz) - Hambacher Tal 203.
Valentin
Keil, dessen Mutter eine Tochter des Müllers Jodokus Wilhelm Meyerhöffer war,
reichte 1813 ein Gesuch zur Errichtung einer Mühle in Hambach ein. Schultheiß
Neher bestätigt ihm am 20. Juli 1813, dass er einen Bauplatz besitzt, der sich
gut für eine Mühle eignet. Er bemerkt jedoch, dass dem Sebastian Guthier und
Adam Dülgers Witwe das Wasser für die Wiesenbewässerung entzogen wird. 1815 war
die Mühle fertiggestellt. Am 20. August 1815 nehmen Valentin Keil, Gemeinsmann
in Hambach, und seine Ehefrau Elisabeth geb. Röhrig 500 Gulden Kapital auf, um
ihre Mühle ausbauen zu können. Von ihm erwarb Peter Hofmann die Mühle. Er
hatte jährlich
1 Malter, 1 Simmer. 1 Kumpf, 1 Mäßchen Korn an das Großherzogtum Hessen (GKB
Band 18, Seite 290, Renovation der Mühlpacht 1828) zu liefern.
Das
Brandkataster von 1844 und 1853 nennt Philipp Tuger als Müller. Wann er genau
auf die Mühle kam, ist unklar.
Am
22. August 1844 kam es unter dem Besitzer Philipp Tuger zur Festsetzung der
Wehrhöhe. In dem Protokoll heißt es, dass der nächste oberhalb liegende Müller,
Johann Schuster, etwa eine halbe Stunde von hier entfernt ist. Der untere
Müller ist Franz Mitsch. Philipp Tuger erschien am 17. Juli 1852 auf der
Bürgermeisterei und beschwerte sich, dass die Wiesenbesitzer ihm das Wasser
entziehen und dadurch seinen Geschäftsbetrieb beeinflussen. Philipp Tuger ist
auch 1855 der Müller. Ihm folgt 1856 sein Sohn Franz Tuger. Er wird 1860 im
Protokoll der Eichpfahlsetzung für die oberhalb liegende Mühle genannt. Die
Ehefrau des Franz Tuger, Margareta geb. Schäfer, beschwerte sich am 13. Februar
1870, dass der unterhalb wohnende Müller Franz Mitsch sein Wehr erhöht
habe. Dadurch habe das Rad Schwellwasser.
1900
war Johann Franz Tuger (* 1867, † 1938) der Mühlenbesitzer. Er wird auch im
Adressbuch von 1905 genannt. Er war der letzte Inhaber der Mühle und blieb
unverheiratet.
Die Mühle war eine Mahlmühle und hatte ein sehr großes Wasserrad mit etwa 10 m Durchmesser. Mit dem Wasserrad wurde auch eine Kreissäge angetrieben. 1914 wurde der Betrieb eingestellt. Nach dem Tode des Franz Tuger 1938 stand das Anwesen längere Zeit still.
Eine Zeichnung von Karl Winkel von 1924 zeigt die Tugersmühle mit ihrem außergewöhnlich großen Wasserrad. Dieses hatte einen Durchmesser von etwa 10 m und war möglicherweise das größte Wasserrad im Odenwald.
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Bild 10: Tugersmühle 1924 (Quelle: Archiv Dr. H. Müller)
Bild 10a: Tugersmühle 1924 nachkoloriert durch Dr. Karlheinz Mulzer
Lehrer
Carl Wölfelschneider aus Bensheim, dessen Schwiegermutter eine Schwester von
Franz Tuger war, erbte die Mühle und baute das Gebäude nach 1945 um und gab ihm
das heutige Aussehen. Durch moderne Anbauten und den neuen Torbogen zur Straße
hin hat sich der Charakter des Gehöftes erheblich verändert und erinnert –
abgesehen von der Lage - kaum noch an eine Mühle.
Heute
(2025) ist das Anwesen im Besitz der Erben von Herbert Wölfelschneider und die
ehemalige Mühle dient Wohnzwecken.
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Bild 11: Ehemalige Tugersmühle im Januar
2012 (Quelle: Archiv Dr. H. Müller)
Das Gebäude rechts ist die ehemalige Mühle.
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Franz
Tuger I., * 1825, † 1895, Sohn von Philipp Tuger und dessen Ehefrau Theresia
Ambos, war Müller auf der Tugersmühle und sein Bruder Johann Tuger I. war
Müller auf der Kirchmühle.
Eine
vollständige und sehr umfangreiche Dokumentation zu den drei Mühlen der Familie
TUGER ist in folgendem Buch enthalten:
Dr. Hermann Müller: Mühlenhochburg
Heppenheim – Großes Mühlen- und Müller-Lexikon – Daten und Fakten zu 800 Jahren
Mühlengeschicht. Heppenheim 2024.
Müllermeister
und Stadtrat
Georg Tuger I.
Georg
Tuger I. war der wohlhabendste und mächtigste Müller in Heppenheim im 19.
Jahrhundert. Neben der Mühle betrieb er auch die Landwirtschaft, vermutlich
auch eine Bäckerei und/oder Mehlhandel. 1867 und später wird er in der Liste
der "Preise der Bäckerwaaren" als "Bäcker und Brodhändler"
genannt.
1864
ist er auf Platz 57 der 61 Höchstbesteuerten des Kreises Heppenheim; 1867 ist
er auf Platz 53 der 71 Höchstbesteuerten des Kreises Heppenheim; 1870 auf Platz
52 der 70 Höchstbesteuerten und 1886 auf Platz 23 der 50 Höchstbesteuerten des
Kreises Heppenheim.
Georg
Tuger wurde am 11.2.1833 in Heppenheim als Sohn von Friedrich Tuger und dessen
Ehefrau Juliana geb. Becker geboren. Er starb in Heppenheim am 11.12.1907. Er
heiratete in erster Ehe am 13.9.1853 Anna Maria Neff. Seine Frau starb bereits
am 3.9.1855. Der Witwer heiratete am 31.3.1856 in Weiskirchen bei Offenbach
Anna Maria Kaiser.
Im
Dezember 1893 wird er als Rentner genannt. Im September 1896 wird im
Verordnungs- und Anzeigeblatt darüber informiert, dass Georg Tuger I. die
Landwirtschaft aufgibt.
Kinder:
1.)
Georg Tuger II., * 1854, † 1912.
2.)
Peter Wilhelm Friedrich Tuger, * 1858, † 1861.
1905
wurde Georg Tuger I. im Adressbuch von Heppenheim als Privatier, wohnhaft in
der Werlestraße 21, genannt. Dort ließ er 1884/85 ein stattliches Wohnhaus
erbauen (heute Eckhaus B3 / Werlestraße, Werlestraße 19).
Um
1934 wohnte der Tierarzt Hugo Pfefferkorn in dem Haus.
Bild 12: Ehemaliges Wohnhaus des Georg
Tuger I.
(Quelle: Archiv Dr. H. Müller, 2014)
Georg Tuger I. hatte viele Ämter und ein hohes Ansehen:
1875
wurde Georg Tuger zum Stadtrat gewählt. 1885 war Georg Tuger Vertrauensmann der
Müllerei-Berufsgenossenschaft. 1888 wurde er Mitglied des Wiesenvorstandes.1889
war er Geschworener und 1893 war er Mitglied der Musterungskommission.
In
seiner Todesanzeige wurde er als Großherzoglicher Ortsgerichtsmann und Stadtrat
geehrt.
Kunstmühlenbesitzer
Georg Tuger II.
Georg
Tuger II., der Sohn von Georg Tuger I. wurde 1854 geboren und starb 1912.
Wie
sein Vater hatte er viele Ämter und ein hohes Ansehen.
Kinder:
1.) Georg Tuger, * um 1890, Kaufmann in
Hamburg.
2.) Joseph
Gottfried Tuger, * 1891, † 1907 in der Marienschule in Mainz.
3.) Ludwig Tuger, * 1893, † 1931 in USA als
Priester.
4.) Emma Maria Epple, geb. Tuger, * 1893, †
1964 in Stuttgart.
5.) Felix Tuger, * 1910, * 1990 in USA.
Weitere
Informationen zu Georg Tuger II. sind in folgenden Beitrag enthalten:
Dr. Hermann Müller: Georg Tuger II. – wohlhabender
Kunstmühlenbesitzer und Kämpfer gegen den Niedergang der Kleinmühlen.
In: Historische Heppenheimer Persönlichkeiten, S. 75-80. Heppenheim 2024.
Mit dem
Aussterben der Familie TUGER ging auch die Erinnerung der Heppenheimer immer
mehr zurück.
Bild 13: Grabmal der Familie Tuger
(Quelle: Dokumentation HStA im Internet)
(nicht mehr vorhanden, Verbleib unbekannt)
Quellen:
1.) Heinz Reitz: Mühlen wiederentdeckt. Heppenheim 1997.
2.) Wilhelm
Metzendorf: Heppenheimer Lexikon. Heppenheim 1986.
3.) Willy
Lizalek: Heppenheims ältester Mühlenvertrag (1561). Die Starkenburg. 1985.
4.) Rudolf Kunz
und Hans Lorenz: Die Rodensteiner Mühle in Heppenheim. Die Starkenburg, Nr.
4/1995, S. 79/80
5.)
Verordnungs- und Anzeigeblätter der Stadt und des Kreises Heppenheim
6.)
Heppenheimer Sippenbücher
7.)
Kunstsammlung Maurer
8.)
Kulturdenkmäler in Hessen – Bergstraße I, Wiesbaden 2004
9.) Familien-,
Heimat- und Mühlenforschung von Dr. Hermann Müller
Ergänzende Informationen
sind sehr erwünscht!
Adresse,
Impressum, Copyright usw. gelten entsprechend der übergeordneten
Haupt-Homepage:
Wappen Dr. Hermann Müller:
Seite zuletzt bearbeitet von Dr. Hermann Müller am 9. Januar 2025.